Exchange Summit 2022 in Lissabon: Unterschiedliche Wege zur Einführung eines elektronischen Meldesystems
Beitrag vom 19.10.2022
Der Branchentreff in Europa: Erfahren sie mehr darüber wie unsere Nachbarn mit den Themen Cashless, Steuerreporting und E-Invoicing umgehen.
Wie denken unsere europäischen Nachbarn über Themen wie E-Invoicing und die Einführung von elektronischen Meldesystemen?
DCTCE (Decentralised Continuous Transaction Controls and Exchange-Model) war das mit Abstand größte Thema auf dem diesjährigen Exchange Summit in Europa. Es ist für viele Experten das präferierte Modell für den europäischen Raum (auch für Deutschland). Wir waren vor Ort, um interessante Insights unserer europäischen Nachbarn zu erfahren und um uns mit internationalen Partnern, Wettbewerbern und Behörden auszutauschen. Hier einige Beispiele wie unsere Nachbarn die Thematik angehen und in Zukunft planen.
Frankreichs Pläne für E-Invoicing und E-Reporting
Schon seit einiger Zeit wissen wir, dass die Franzosen sich für ein CTC-Modell entschieden haben, dass dem mexikanischen Ansatz ähnelt. Anstatt alle Übertragungen über eine zentrale Plattform laufen zu lassen (wie beim SDI „Sistema di Interscambio“ des italienischen Modells) geht man hier den Weg, einerseits Dokumente über die nationale Plattform „Chorus Pro“, sowie zusätzlich durch zertifizierte private Provider zu akzeptieren. Chorus Pro ist hierbei die Anlaufstelle für alle öffentlichen Entitäten. Diese Kombination aus staatlicher Plattform und privaten, zertifizierten Providern wird auch als Y-Modell bezeichnet. Die Unternehmen können die Infrastruktur hierbei frei wählen und somit optimal die bestehenden Investitionen nutzen.
Bereits seit 2020 besteht eine Verpflichtung für alle Lieferanten öffentlicher Stellen Rechnungen in elektronischer Form einzureichen - hierbei werden verschiedene Standards auf Basis von UBL 2.1, UNCEFACT XML CII 16B oder dem ZUGFeRD ähnelnden hybriden Format FACTURE-X akzeptiert. Diese Verpflichtung wird auf B2B in den nächsten Jahren sukzessive ausgeweitet. Zunächst auf große Unternehmen ab 2024 - bis hin zu Kleinstunternehmern ab 2026.
Die französische Steuerreform beinhaltet zudem auch ein E-Reporting. D.h. Unternehmen müssen je nach Branche einige ihrer Buchhaltungs- und steuerlichen Informationen in elektronischer Form einreichen. Das E-Reporting-Mandat folgt hierbei den gleichen Fristen wie die B2B-Umstellung auf die E-Rechnung und gilt für alle Unternehmen, die international B2C- oder B2B-Transaktionen umsetzen, sowie einige ausländische Unternehmen (auch ohne Sitz in Frankreich), die in Frankreich mehrwertsteuerpflichtig sind.
Rumänien: Zentralisiertes E-Invoicing und SAF-T im Eiltempo
In Rumänien hatte man, ähnlich wie in Italien, in der Vergangenheit mit besonders hohen Steuerlücken zu kämpfen (Stand 2019: 34,9 % VAT GAP) und ist daraufhin mit der Einführung eines elektronischen Meldesystems schnell vorangeschritten. So wurde Ende 2021 ein Gesetz zur Einführung der "E-Factura" verabschiedet, ohne zu dem Zeitpunkt die technischen Informationen veröffentlicht zu haben.
Rumänien hat sich mit ihrer zentralen Plattform für Rechnungen, der "RO e-Factura" an dem Cleareance-Verfahren Italiens (ähnlich wie Polen) orientiert. Sobald die Rechnungen der Plattform übermittelt wurden, werden diese mit einer ID versehen, anschließend folgt eine Validierung bei jeder Rechnung in Form einer elektronischen Signatur durch das Finanzministerium ANAF (Agentia Nationala de Administrare Fiscala). Die Rechnungen werden gemäß dem RO_CIUS-Standard im Format XML erstellt.
Am 01.07.22 wurde dann verpflichtendes B2G E-Invoicing für alle öffentlichen Stellen, sowie verpflichtendes B2B E-Invoicing für Produkte mit "kritischen Steuerrisiken" eingeführt und bereits Anfang 2023 soll die Verpflichtung auf alle Produkte im B2B-Kontext ausgeweitet werden.
Auch im Steuerreporting digitalisiert sich Rumänien und geht einher mit den Fristen für das E-Invoicing, wobei Kleinstunternehmen erst 2025 in die Pflicht genommen werden sollen. Hierfür wurde das SAF-T Reporting gewählt, im Gegensatz zu CTC Reporting werden Daten hierbei nicht in Echtzeit erfasst, sondern in regelmäßigen Zyklen an die ANAF übermittelt. Laut größerer Wirtschaftsakteure und Dienstleister in Rumänien erfolgt hier aktuell etwas Bürokratie im Nachhinein, um alle relevanten Angaben innerhalb einer Rechnung oder Lieferung zu erhalten und somit international rechtskonform zu handeln.
Die Meilensteine der Polen: Cashless, zentralisiertes CTC & B2B-Verpflichtung im E-Invoicing
Auch Polen hatte in der Vergangenheit mit einer hohen Schattenökonomie zu kämpfen, konnte diese aber bereits in den Jahren 2015-2019 von knapp 25 % auf 11,3 % absenken. Es wurden mehrere Gesetze beschlossen und das SAF-T Reporting eingeführt, um die Digitalisierung des Rechnungs- & Steuerwesens zu beschleunigen und gegen die Steuerlücken anzukämpfen. Zum einen gibt es Sanktionen auf Cash-Bezahlungen (derzeit 2022, B2B ab 20,000 PLN), die sukzessive gesteigert werden sollen (2023 bereits bei 8000 PLN und 20.000 PLN für B2C). Zudem wird es ab 2023 eine Verpflichtung zur Nutzung des Online-Cash Registers für alle steuerlichen Personen geben, hierfür gibt es zusätzlich einen steuerlichen Anreiz beim Kauf des Online-Registers.
Doch auch im E-Invoicing-Bereich hat sich zuletzt viel in Polen getan: Seit dem 01.01.22 gibt es freiwilliges E-Invoicing auf Basis des nationalen strukturierten Formats, die Rechnungen gehen dabei an die nationale E-invoicing-Behörde KSeF (Krajowy system e-Factur) und werden dort mit einer sog. KSeF-ID versehen. Die Rechnungen können über ein Webportal der KseF hochgeladen werden, zudem haben Unternehmen die Möglichkeit die Rechnungen im eigenen Finanzbuchhaltungssystem, auf Basis der Vorgaben, zu erstellen und z.B. via EDI an die KSeF-Plattform zu übermitteln. Die KSeF akzeptiert Rechnungen auf Basis von UBL 2.1, UN/CEFACT CII und Peppol BIS 3.0.
Die elektronische Rechnungsverarbeitung folgt somit auch dem Clearance-Verfahren. Man spricht von positiv verlaufenden Ergebnissen freiwilliger Unternehmen. Nun konnte man sich Mitte 2022, ebenso wie Italien, eine Sondergenehmigung von dem Rat der Europäischen Union holen und bereits Anfang 2024 soll verpflichtendes E-Invoicing für alle privaten Unternehmen eingeführt werden. Für öffentliche Verwaltungen ist sie bereits obligatorisch, für deren Lieferanten jedoch aktuell noch freiwillig. Für die Umsetzung rechnet man in Polen mit nicht-signifikanten Kosten, seitens der steuerlichen Personen, um E-Rechnungen senden zu können.
Die zentrale Infrastruktur Spaniens und der neue "Boost"
In Spanien hat man versucht seinen eigenen Weg zu gehen und verfügt heute bereits über ein umfangreiches elektronisches CTC-Steuersystem "SII" (Suministro inmediato de informacion), welches aus mehreren Subsystemen besteht. Des Weiteren haben sie sich bereits früh ihre eigene zentrale Rechnungsaustauschplattform gen. „FACe“ (Punto General de Entrada de Facturas Electronicas), mit recht hohem Auferhaltungsaufwand geschaffen und sind infolge mit dem "Silo-Effekt" konfrontiert worden.
Hier wurde bereits 2015 verpflichtendes E-Invoicing für Lieferanten öffentlicher Stellen eingeführt und das ganze 2018 auf Subunternehmer (mit höheren Rechnungen ab 5000 €) ausgeweitet - für alle Rechnungssteller an die öffentliche Verwaltung gilt die Pflicht einer elektronischen Signatur, diese ist auch im B2B-Kontext verbreitet, aber nicht obligatorisch. Zudem wurde 2017 CTC durch das SII verpflichtend eingeführt. Ihr XML-basierter Standard "FACTURAE" interoperiert allerdings nicht mit anderen Standards und ist derzeit das einzige Format, welches bei der öffentlichen Verwaltung akzeptiert wird. Peppols 5 Ecken Modell wird als möglicher zukünftiger Lösungsweg, um einen interoperablen Standard zu nutzen, von den Spaniern in Erwägung gezogen.
Auch hier gibt es frische Neuigkeiten: Am 30. Juni 22 wurde das Gesetz "Crea y crece" genehmigt, womit eine Verpflichtung für Lieferung und Erhalt elektronischer Rechnungen für alle Unternehmen im B2B-Kontext eingeführt wird. Zunächst gilt dies für alle inländischen Unternehmen mit einem Umsatz über 8 Mio. € - 2 Jahre nach der Einführung sollen alle weiteren Unternehmen in die Pflicht genommen werden. Hierdurch soll ein "Boost" in der Durchsetzung der elektronischen Rechnung geschaffen werden.
Peppols 4-Ecken Modell in Belgien
In Belgien scheint man von dem Peppol-Modell besonders überzeugt zu sein. Hier wurde nun das 4-Ecken Modell verpflichtend für B2G eingeführt und es soll als nächste Stufe das 5-Ecken Modell als dezentralisierte CTC-Lösung eingeführt werden - alle öffentlichen Stellen garantieren die Annahme von Peppol-Rechnungen.
Die ASA (Agence pour la Simplification Administrative) ist hierbei besonders von den Einspar- und Effizienz-Ergebnissen überzeugt, so sind die durchschnittlichen Kosten von ca. 4,44 € (Papierrechnung) und 2,02 € (Rechnung via Mail) auf 1,20 € für eine automatische Rechnung gesunken. Beim Erhalt von Rechnungen konnte man die Kosten sogar von 8,04 € (Papier) und 7,68 € (Mail) auf 2,27 € senken. Insg. konnte man zwischen 2011 und 2020 die Nutzung von Papierrechnungen von ca. 80 % (84 % gesendete und 82 % erhaltene) auf ca. 30 % (23 % gesendete & 34 % erhaltene) senken.
Weitere Neuigkeiten zu Peppol:
Und Peppol wurde auch den Ländern und Partnern, die sich noch nicht weiter damit auseinandergesetzt hatten, näher gebracht. Gäste außerhalb Europas waren z.B. Indien, Amerika, Japan, Singapur und weitere - die Vertreter aus Japan hatten bes. interessante Updates zum Thema Peppol, da Japan derzeit als zweites Land nach Singapur in Asien eine eigene Peppol-Authority aufbaut.
Malaysien soll als Nächstes in das Netzwerk eingebunden werden, Indien hat, obwohl es noch kaum Peppol-Nutzer gibt, dieses Jahr 3 neue Service Provider dazubekommen und in Finnland gibt es nun auch eine eigene Peppol-Authority.
Die Fortschritte für das Business-Netzwerk ließen sich dann auch gemeinsam als 10-jähriges Event feiern: Da genau vor 10 Jahren, im September 2012, in Belgien die Non-Profit-Organisation OpenPeppol offiziell eingeführt wurde, ließ man es sich nicht nehmen zu dem Anlass eine kleine Feier in der Mittagspause stattfinden zu lassen. Und bereits im November geht es weiter mit dem 10-jährigen Jubiläum im Rahmen eines F2F-Meetings in Brüssel.
Bleiben sie dran und erfahren sie mehr rund um E-Invoicing, EDI, Peppol und die Welt von primeXchange!
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